Wenn die Katze Tabletten braucht: Sanfte Strategien für eine heikle Aufgabe

Medikamente einzugeben gehört zu den grössten Herausforderungen im Katzenhaushalt.

Tierexperte Jonas Linde erklärt, wie sich der Stress für Mensch und Tier auf ein Minimum reduzieren lässt – mit Geduld, Technik und dem richtigen Timing.

Wer mit Katzen lebt, kennt das Problem: Eine Erkrankung macht eine Medikamentengabe notwendig. Doch die Tablettengabe wird zur Zitterpartie. Katzen sind Meister darin, Unerwünschtes zu erkennen und abzulehnen. Ihre feine Nase, ihre blitzschnelle Reaktion und ihr misstrauisches Wesen machen die Tablettengabe zu einer echten Herausforderung.



Doch mit der richtigen Technik, etwas Vorbereitung und viel Ruhe gelingt es, auch skeptische Stubentiger zur Kooperation zu bewegen. Und oft hilft schon ein Perspektivenwechsel: Es geht nicht ums „Überlisten“, sondern darum, Vertrauen zu stärken und Wege zu finden, die Katze mit Respekt durch die Situation zu begleiten.

Warum Katzen Tabletten oft verweigern

Katzen besitzen über 200 Millionen Geruchszellen – doppelt so viele wie Hunde. Ein einziger Hauch von Medikamenten, ein fremder Geruch oder ein ungewohntes Verhalten des Menschen reicht aus, um Alarm auszulösen. Dazu kommt: Katzen sind Gewohnheitstiere. Sie mögen keine Zwangssituationen, keine Einschränkungen und schon gar keine Veränderungen im Ritual des Fressens.

Die Folge: Tabletten werden ausgespuckt, der Napf wird ignoriert oder der Rückzug auf den Schrank oder unters Bett erfolgt. Gerade bei chronischen Erkrankungen wie Nierenerkrankungen, Schilddrüsenüberfunktion oder Epilepsie ist eine regelmässige Einnahme aber entscheidend.

Vorbereitung: Die halbe Miete

Eine ruhige Umgebung, Geduld und ein Plan helfen, die Medikamentengabe stressfrei zu gestalten. Wichtig ist, die Tablette nicht einfach spontan zu geben, sondern sich vorzubereiten – mental wie organisatorisch.

  • Hände waschen, damit keine Gerüche von Reinigungsmitteln oder anderen Tieren haften
  • Die Tablette bereitlegen – ggf. mit Tablettenteiler halbieren oder zerkleinern
  • Leckerlis oder Lieblingsfutter in Reichweite halten
  • Einen ruhigen, ablenkungsfreien Ort wählen

1. Verstecken im Futter: Die sanfte Methode

Wenn die Tablette nicht zu bitter schmeckt oder so beschichtet ist, dass sie geschmacksneutral bleibt, kann sie im Futter versteckt werden.

  • In einem Klecks Leberwurst, Schleckpaste oder Käsecreme «einbetten»
  • In einem Futterbällchen aus Rindermett „verstecken“ und per Hand geben
  • In Hühnerbrust oder Thunfisch einwickeln
  • Mit Butter bestreichen
  • In  einen «Trojaner» geben.

Wichtig: Zuerst ein oder zwei Portionen *ohne* Tablette anbieten, um das Misstrauen zu senken, erst dann den „Medikamentenhappen“ reichen.



2. Tablettengeber: Sicher und gezielt

Für Stubentiger, die trickreiche Verstecke sofort durchschauen, ist ein sogenannter „Pillenschieber“ oder Tablettengeber oft die bessere Lösung. Dieses kleine Hilfsmittel erlaubt es, die Tablette direkt in den Rachen zu platzieren, ohne mit den Fingern in die Nähe der Zähne zu kommen.

  • Katzenkopf leicht nach oben neigen
  • Tablette mit dem Geber weit hinten im Maul absetzen
  • Mund schliessen, sanft über den Kehlkopf streichen, bis geschluckt wird

Anschliessend loben und ggf. ein Leckerli geben – positive Verknüpfung ist entscheidend.


Nicht alle Tabletten dürfen zerkleinert werden. Vorher Rücksprache mit der Tierarztpraxis halten – besonders bei Retardpräparaten oder Magensaft-resistenten Kapseln.



3. Direkt eingeben, aber mit Ruhe

Bei manchen Katzen funktioniert weder Futter noch Tablettengeber. Dann bleibt die direkte Gabe per Hand. Das erfordert etwas Übung, sollte aber nie mit Gewalt erfolgen.

  • Katze mit einem Handtuch fixieren, um Kratzer zu vermeiden
  • Mit Daumen und Zeigefinger den Oberkiefer vorsichtig öffnen
  • Tablette weit hinten auf die Zunge legen (über die Zungenwurzel)
  • Maul schliessen, Kehlkopf streicheln, auf Schlucken achten

Ein Tropfen Wasser kann helfen, den Schluckreflex auszulösen.

4. Flüssige Alternativen: Wenn Tabletten gar nicht gehen

Viele Medikamente sind mittlerweile auch als Tropfen, Suspensionen oder Gel erhältlich. Diese können über Leckerli, Paste oder per Spritze ins Maul gegeben werden. Manche Tabletten darf man auch mörsern, sie mit etwas Wasser mischen und eingeben.

Vorteile:

  • leichtere Dosierung
  • weniger Widerstand bei der Gabe
  • einfache Mischung ins Lieblingsfutter möglich

5. Positive Gewöhnung: Training lohnt sich

Bei chronischen Krankheiten kann es hilfreich sein, mit positiver Verstärkung zu arbeiten, etwa durch Clickertraining, gezielte Futterrituale oder systematische Annäherung. So wird die Tablettengabe zu einem neutralen oder sogar positiven Ereignis.

6. Bei mehreren Katzen: Isolation und Kontrolle

In Mehrkatzenhaushalten besteht die Gefahr, dass das falsche Tier die Tablette frisst oder dass die kranke Katze aus Angst gar nichts mehr annimmt. Deshalb:

  • Medikament immer einzeln und unter Beobachtung verabreichen
  • Bei Versteck im Futter: separater Raum oder erhöhte Futterstelle wählen
  • Bei mehreren Medikamenten: Tabelle zur Kontrolle der Einnahme führen

Fazit: Geduld, Technik und Vertrauen

Die Gabe von Tabletten bei Katzen ist selten einfach, aber mit dem richtigen Wissen auch nicht unmöglich. Entscheidend ist, die Katze als Partner wahrzunehmen und eine Methode zu finden, die zum Tier passt.

Über den Autor

Jonas Linde ist Buchautor und Katzenkenner mit rund 40 Jahren Erfahrung im Zusammenleben mit sensiblen, oft chronisch kranken Samtpfoten. Für ihn sind Katzen keine Haustiere, sondern Familie – mit all der Nähe, Verantwortung und Verletzlichkeit, die das mit sich bringt. Sein Buch „Ein Leben mit Katzen“ ist kein Ratgeber, keine Anleitung, kein Roman. Es ist ein persönlicher, unverstellter Blick auf das Leben mit Katzen – geprägt von Liebe, Verlust, kleinen Wundern und grossen Fragen. Zwischen ehrlichen Geschichten aus dem Alltag und lehrreichen Infoboxen entsteht ein Buch für Menschen, die Katzen lieben – oder verstehen wollen, warum es so wertvoll ist, das zu tun.



 

Quelle: Jonas Linde
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